Horst Westphal: ViLE e.V.
Die ViLE-Idee entstand im Sommer 2002 auf einer Seminartagung des ZAWiW der Universität Ulm und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in Bad Urach mit dem Ziel, das Internet als Medium zum Lernen, zum Erfahrungsaustausch und zur Zusammenarbeit zu nutzen.
Der Verein wurde dann im Dezember 2002 gegründet. Er hat sich die Aufgabe gestellt, die neuen Medien zu nutzen, um einer sozialen Gemeinschaft älterer Erwachsener die Gelegenheit zu geben, an der gesellschaftlichen Entwicklung
teilzuhaben. Aktiven und bildungsinteressierten Senioren und Seniorinnen aus ganz Deutschland wird nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben ein Forum des Austauschs und der kreativen Weiterentwicklung geboten. ViLE soll auch einer Vereinsamung im Alter entgegen wirken und bietet einen virtuellen Austausch als Kompensation bei einschränkenden Altersbehinderungen.
Die Mitglieder leben in den verschiedensten Gegenden Deutschlands, von Nord bis Süd und West bis Ost. Sie haben ganz unterschiedliche Berufs- und Lebenshintergründe. Das Internet verbindet alle miteinander. Die realen Begegnungen und Seminare haben zu vielen neuen Freundschaften geführt. ViLE ist darauf ausgerichtet, Neues zu entdecken und auszuprobieren, sei es individuell oder für dazu entstehende Gruppen.
Im Zentrum der Aktivitäten unseres Vereins steht die internetbasierte Kommunikation, Kooperation und Projektarbeit der Mitglieder, die in den meisten Fällen über die Website öffentlich verläuft und zu der interessierte Menschen jeden Alters zur Mitarbeit eingeladen sind. Im ViLE-Netzwerk entstehen dadurch neue Lernformen, auch in Zusammenarbeit von Jung und Alt. Die kreative Leistung unseres Vereins sehen wir auf folgenden Ebenen:
- Ideenentwicklung und Erprobung neuer internetbasierter Lernmethoden im Sinne des selbstgesteuerten Lernens (Virtuelle Lerngruppen, Lernkurse, Arbeit als Lernpaten, Diskussionsforen im Netz,
- Auseinandersetzung mit Themen von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung gesellschaftlicher Bedeutung (z.B. Klimawandel, Wahlbeobachtung, Unsere europäischen Nachbarn),
- Nutzung von technischen Anwendungen im Netz (Mailinglisten, Suchmaschinen, Lernplattformen (moodle und bscw), Bildtelefonie (Skype) und Videoconferencing),
- neue Formen des bürgerlichen Engagements,
- Vermittlung gemeinsamer künstlerischer und literarischer Erlebnisse,
- reale Treffen der Mitglieder bei verschiedenen Anlässen als Ergänzung zur virtuellen Zusammenarbeit. Auf regionaler und lokaler Ebene bestehen Arbeitsgruppen, die regelmäßig zum Meinungsaustausch zusammen kommen.
Dazu kommen überregionale Seminare zu ausgewählten Themen und Forschendes Reisen, immer verbunden mit dem Kennenlernen von Kultur und Geschichte des Landes und Kontakten zu einheimischen Seniorenvereinigungen.
Auch die vom Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Ulm entwickelte Internet-Zeitung „Lerncafe“ wird seit dem Auslaufen der öffentlichen Förderung von ViLE herausgegeben. Eine Reihe ihrer Mitglieder hat sich zu Online-Redakteuren ausbilden lassen, um sich für die Mitarbeit zu qualifizieren. Näher soll darauf nicht eingegangen werden, da dieser Arbeitskreis beschlossen hat, für sein Projekt eine eigene Bewerbung um den Mühlschlegel-Preis einzureichen.
www.vile-netzwerk.de
Diese Adresse ist das virtuelle Zentrum des Vereins. Hier finden die Mitglieder alle Informationen über die Aktivitäten, Projekte und Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen. Dabei dient das Internet als Plattform für Recherche, Kommunikation und Kooperation zu selbst gewählten Themen, die von den Mitgliedern aus den verschiedensten Ecken Deutschlands in unterschiedlichen, meist zeitbegrenzten Lerngruppen behandelt und diskutiert werden.
Einige ViLE – Aktivitäten kurz aufgezeigt:
„Gemeinsam lesen“: Nach eigenen Vorschlägen werden wichtige Werke deutscher und ausländischer Autoren gemeinsam gelesen, besprochen und im Internetforum diskutiert. Namen, die für das Niveau stehen: Jonathan Franzen (Die Korrekturen), Dieter Schlesak (Transsylvanische Reise), Arno Geiger (Es geht uns gut), Albrecht Müller (Machtwahn), Thomas Brussig (Am kürzeren Ende der Sonnenallee), Erich Loest (Nikolaikirche), Sabine Bode (Die vergessene Generation), Orhan Pamuk (Die weiße Festung), Elfriede Jelinek (Neid), Ulla Hahn (Das vergessene Wort). Der junge Autor John von Düffel (Vom Wasser, Hotel Angst), gleichzeitig Dramaturg, empfing die ViLE-Regionalgruppe Nord zu einem Gespräch über seine Werke im Hamburger Thalia-Theater.
Das „Kulturtablett“ vermittelt seit 2007 Tipps aus dem kulturellen Bereich und organisiert gemeinsame Museums- und Ausstellungsbesuche. ViLE-Süd.organisierte bereits neun Projekttage mit Ausstellungs- und Museumsbesuchen, zwei davon mit inhaltlicher virtueller Begleitung. ViLE-Nord besuchte die Kunst-Avantgarde in der Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg. Neueste Angebote sind im letzten Quartal des Jahres 2009 Besuch der großen Landesausstellung „Eiszeit – Kunst und Kultur“ in Stuttgart, die die ältesten Kunstwerke der Menschheit zeigt. Verbunden wird sie mit einer Exkursion zu den Höhlen des Lonetals und einem begleitenden virtuellen Kurs sowie die Schätze des Alten Syrien - Die Entdeckung des Königreichs Qatna - im Württembergischen Landesmuseum.
Europäische Projekte
ViLE fördert die Idee der Europäischen Union durch viele Aktivitäten und durch Begegnungen mit Senioren und Seniorinnen aus den anderen EU-Ländern. Der Austausch der Gruppen findet untereinander, über Grenzen hinweg, virtuell statt. Da die Projekte eine starke inhaltliche Komponente haben und das Internet als Vehikel benutzt wird, führt das in allen Ländergruppen dazu, dass die beteiligten Senioren und Seniorinnen, die dieser Technik distanziert gegenüber standen, sich intensiver mit diesem Kommunikationsmittel befassen. Interessant ist die Beteiligung von ViLE an dem europäische Projekt „Open Doors for Europe – ODE“, an dem Seniorengruppen aus Polen, Italien und Spanien teilnehmen.
Zur Zeit ist ViLE Partner in der europäischen Lernpartnerschaft SENIOR, die Seniorengruppen aus Polen, Finnland, Slowenien und Spanien zur Zusammenarbeit über das Netz veranlasst, kombiniert mit zwei Treffen jährlich in den Partnerländern. . Nach vorangegangenen Treffen in Starbienino (bei Danzig) und Kranjska Gora (Slowenien) fand ein Treffen vom 6. bis 9. Oktober in Ulm statt. ViLE-Mitglieder engagieren sich auch an der europäischen Lernpartnerschaft
„Danube-Networkers“. Dabei sind kreative Texte und Videoclips (Interviews) entstanden, z. B. über den Friedhof der Namenlosen in Wien (www.danubenetworkers.eu).
An dem Projekt „Possible Europe – Europa erleben“ beteiligen sich ViLE-Mitglieder mit biographischen Beiträgen (www.europa-erleben.eu). Weiterhin gibt es eine Beteiligung an dem EU-Projekt „Freiwilligendienst im Ausland“.
Die Lübecker ViLE-Gruppe bearbeitet zusammen mit Vereinsmitgliedern aus Süddeutschland das Projekt „Ein Blick auf unsere Nachbarn“, das die Länder rund um die Bundesrepublik mit Deutschland vergleicht, um das Wissen über unsere Nachbarn zu bereichern. Untersucht wurden bisher die Staatsformen und Wahlsysteme, die Gesundheits- und Rentensysteme, die Arbeitslosenhilfen, die Jugendkriminalität, die Kultur und das landestypische Essen und Trinken.
Im November beginnt ein ViLE-Online-Lernkurs „Sich Europa erschließen“. Politische Projekte Eine Reihe von ViLE-Projekten beschäftigte sich mit politischen Themen. Es gab Wahlbeobachtungen von EU- und Bundestagswahlen, kritische Untersuchungen von Wahlversprechen und von Wahlplakat-Aussagen. Bekannte Politiker wurden befragt und die Antworten veröffentlicht. Gleichzeitig fand im Forum der Internetseiten des Vereins dazu eine Diskussion statt. Ein weiteres Projekt hieß „Neue Weltordnung oder zurück ins Mittelalter?“ Anlass war nach der Wahl von George W. Bush der Hegemonieanspruch der USA.
Eines der umfangreichsten Projekte hieß „Koalitionsvertrag und Tagespolitik“, das nach der Bildung der Koalition aus Union und SPD gestartet wurde. Dabei durchforsteten die Beteiligten den gesamten Wortlaut des umfangreichen Koalitionsvertrags. Diesem folgte vor der Bundestagswahl 2009 das Projekt „Lohnt sich der Gang zur Wahlurne“, der wiederum eine umfangreiche virtuelle Diskussion auslöste.
Weitere internetbasierte Projekte behandeln die Themen Werte im Wandel, Klimawandel. Einige werden von einzelnen Mitgliedern initiiert und selbstverantwortlich durchgeführt, z. B. die Projekte Spurensuche – jüdische Friedhöfe in Deutschland, und Frauengeschichte.
Kursangebote
Im Rahmen unserer Kursangebote stellen besonders kompetente Mitglieder ihr Wissen den Teilnehmern zur Verfügung, seien es Computertechnik, Textbearbeitung Internet-know-how oder digitale Bildbearbeitung.
Forschendes Reisen
Die Reisen sollen den ViLE-Mitgliedern Gelegenheit geben, sich näher kennen zu lernen und gemeinsamen Interessen nachzugehen. So wurden bereits mehrere Reise nach Sardinien organisiert. Im Zentrum stand dabei die Entdeckung von Land und Leuten, Schaffung von Freundschaften und gemeinsamem Erkunden von Natur, Kultur und Alltagsleben. Ein besonderer Höhepunkt waren die Treffen mit den Seniorstudierenden aus Macomer. Aber auch in Deutschland gibt es viele Reiseaktivitäten der ViLE-Gruppen, wie z.B. Fahrten nach Ostdeutschland und Nordfriesland, eine Radtour am Bodensee, der Besuch des Tagebuchmuseums in Emmendingen oder Besuche der regionalen ViLE-Gruppen untereinander.
Das Konzept des Forschenden Reisens enthält den Auftrag an die Teilnehmer sich auf Fragen der Geographie, Kultur, Wirtschaft und Ökologie vorzubereiten. Nach der Reise erstellt ein Mitglied eine Website, in der die von verschiedenen Mitreisenden verfassten Berichte veröffentlicht werden. Diese Berichte sind nicht nur den Vereinsmitgliedern, sondern allgemein zugänglich.
Seminare
Für seine Mitglieder, aber auch für Teilnehmer aus anderen Senioren-Vereinigungen, veranstaltet ViLE e.V. eine ganze Reihe von Seminaren, zum Teil in Kooperation mit anderen Institutionen. In jedem Jahr gibt es ein einwöchiges Seminar mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg im Haus auf der Alb in Bad Urach. Themen waren in den letzten Jahren z. B. „Gemeinsam neue Lernwege gehen“, „Wissenschaftsmanagement und soziales Internet“, „Afrika – Annäherung an einen Kontinent“ und "Heimat Europa - Migration, Kulturelle Identität, Transkulturelle Kompetenz".
Weitere Beispiele: Zum Thema "Nachhaltigkeit" wurde gemeinsam mit der ASKO Europa-Stiftung ein Seminar in der Europäischen Akademie Otzenhausen (Saarland) veranstaltet. Im Bildungs- und Tagungszentrum Ostheide in Barendorf ging es für unsere Mitglieder um „Lebendige Demokratie“. In Ulm gab es ein internationales Seminar „Ausbildung zu Managern für virtuelles Lernen“.
Neue Medien
Damit die Mitglieder mit dem hohen Tempo der technischen Entwicklung bei den neuen Medien Schritt halten und sie kreativ nutzen können, bietet ViLE regelmäßig virtuelle Kurse an. Während es anfangs noch darum ging, die Senioren und Seniorinnen im Umgang mit dem PC zu schulen, liegt das Schwergewicht inzwischen mehr auf Themen, wie Sich Europa mit dem Internet erschließen, Technik des virtuellen Lernens, Datenverwaltung, Bildbearbeitung und ähnlichen Aufgaben.
Bei einem Seminar wurden die Teilnehmer z. B. unter Anleitung eines Rundfunkredakteurs mit der Gestaltung und Aufnahme eines Hörspiels und der Herstellung eines Videofilms vertraut gemacht. Sie arbeiteten unter dem Titel "Altersbilder - einmal anders! Wir erstellen unser eigenes Drehbuch und setzen es um“ in mehreren Gruppen. Entstanden sind verschiedene Produkte, wie z.B. Tonund Bilddokumente, ein Videoclip etc., anzuschauen im Internet auf der ViLEWebsite.
Schlussbemerkung
ViLE = Virtuelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener. Wir wissen, dass es ein schwer handhabbarer Name ist und überlegen schon lange, ob wir den in der Euphorie der Gründungsphase entstandenen Vereinsnamen nicht vereinfachen sollten. Ohne fachliche Anleitung und einen entsprechenden finanziellen Aufwand – haben wir noch keine treffende Bezeichnung gefunden, die uns von den vielen Seniorenvereinen, die mehr konsumorientierte Ziele haben, unterscheidet.
Positiv ist das Engagement der ViLE-Mitglieder, das Internet kreativ mit anderen zu erproben und zur Zusammenarbeit zu nutzen, vor allem auch, weil es viele Interessen abdeckt und geistig frisch hält.
Uwe Bartholl: Online-Redaktion "LernCafe"
LernCafe
Das LernCafe ist hervorgegangen aus
einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt des
ZAWiW der Universität Ulm (2004 - 2006). Senior/-innen wurden zu
Online-Redakteur/-innen ausgebildet und angeleitet, Redaktionsarbeit und
technische Umsetzung zu gestalten, weiterzuentwickeln und das Journal
selbstständig zu führen. Weitere Nachwuchsredakteur/-innen wurden von uns im
Laufe der Zeit im Tandemverfahren an die Arbeit herangeführt. Das
Online-Journal LernCafe wird heute
selbstständig von 24 Seniorinnen und Senioren 1/4-jährlich erstellt. Die
gesamte redaktionelle Arbeit und die Fertigung werden online abgewickelt. Die
Redakteure kommunizieren online per Mail, Skype und durch Zugriff auf die
Arbeitsebene BSCW. Ein Technik-Team hat sich das erforderliche Wissen für die
Online-Präsentation des Journals erarbeitet. Die Entwicklung, Erstellung,
Codierung und Pflege der Seiten erfolgt heute nach dem
Content-Management-System Joomla. Herausgeber ist ViLE.e.V. (www.vile-netzwerk.de) , das Virtuelle
und reale Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener e.V.
Jede LernCafe-Ausgabe ist thematisch
ausgerichtet. An der Themenfindung beteiligt sich das gesamte Team. Die Ideen
werden in ein Forum eingestellt und diskutiert. Durch Online-Abstimmung werden
die vier Themen für ein Jahr im voraus ausgewählt. Die Themenfindung für 2010
ist gerade abgeschlossen.
Für jeweils eine Ausgabe sind zwei leitende Redakteur/-innen für die gesamte
Moderation zuständig. Dafür hat sich das LernCafe-Team
eine Struktur erarbeitet, nach der der gesamte Entstehungsprozess abläuft.
Durch den Wechsel der leitenden Redakteur/-innen besteht im Team ein breites
Wissen über die Steuerung der Arbeitsabläufe. Neue Kompetenzen werden erworben.
Die Recherche zu dem jeweiligen Thema und deren Bearbeitung erfordert von uns
immer wieder neu thematische Auseinandersetzung. Mit der Gestaltung des eigenen
Beitrages, dem Finden der Sprache, bleibt oder wächst die Fähigkeit und
Bereitschaft, diese Themen im eigenen
Umfeld zu kommunizieren.
Mit den unterschiedlichen Interessen und Wissenskompetenzen, die ständiger
Begleiter aller Arbeitsprozesse sind, bereichern wir uns stets gegenseitig. Die
Themenvielfalt der bisherigen Ausgaben legt davon beredtes Zeugnis ab. Sie
stärkt gleichzeitig unser Bestreben, unterschiedlichste Leser/-innengruppen
anzusprechen. In Seminaren und Arbeitssitzungen, die, wenn irgend möglich,
mindestens einmal jährlich stattfinden, erfährt das Team das notwendige
Gegengewicht zur virtuellen Arbeit. In diesem engen Kontakt, virtuell und real,
entstehen tragende Freundschaften, die für das reibungslose Online-Geschäft
unverzichtbar sind.
Damit ist die Zielsetzung des LernCafes
kurz beschrieben. Die Redakteur/-rinnen setzen sich mit Themen auseinander, die
sie interessieren, und von denen sie überzeugt sind, dass sie andere
interessieren. Sie erhalten ihre Befähigung sprachlicher Kompetenz, bleiben
lernbereit, und sind mit PC und dem Umgang im Internet vertraut. Besonders
ausgebaut ist die Fähigkeit, Instrumente der Online-Kommunikation zu nutzen.
Sie lernen voneinander und miteinander in einem selbst gesteuerten Prozess. Mit
ihrer Arbeit wirken sie in die Gesellschaft hinein.
Öffentliche Wirkung und
gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit
Hierüber geben die Zugriffszahlen (Ausgabe 46, Migration, 12991) und
Abonnentenliste (750) Anhaltspunkte. Die Redakteure wirken in ihrem jeweiligen
Umfeld als Multiplikator/innen für ein derartiges ehrenamtliches Tätigsein. Ein
breites Interesse an dieser Arbeit wurde auf den Seniorentagen 2006 in Köln und
2009 in Leipzig bekundet.
Gesellschaftlicher und biografischer
Kontext
Das LernCafe ermöglicht uns in
der Zusammenarbeit, PC und Internet kreativ zu nutzen. Für uns ist diese
Informations- und Kommunikationsebene in die Bewältigung des Alltagsgeschehens
integriert. Wir erleben das Selbstwertgefühl in der gesellschaftlichen Teilhabe
als älterer Mensch als großen Gewinn. Ebenso die Befähigung, themenorientiert
zu diskutieren.
In der journalistischen Tätigkeit lassen die einzelnen Beiträge häufig
erkennen, wie sehr sich biografisches Wissen mit recherchiertem Wissen
verbindet. Das wirkt einem verstärkt rückgewendeten Erinnerungserleben
entgegen. Die Bereitschaft, sich Veränderungen nicht zu verschließen, wird gestärkt. Dieser Effekt wird
begünstigt durch die Kontakte und Erfahrungen als Lerngruppe untereinander, von
Cuxhaven bis zum Bodensee.
Die Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern zeigen, dass die Art der
Themenaufbereitung im LernCafe zur
eigenen Beschäftigung anregt. Gerade durch die Weiterführung durch ausgewählte
Links bleibt es dem Leser überlassen, wie tief er in die Materie eindringt.
Auch hier ist wieder die Online-Nutzung Kompetenz fördernd. Die hohe Zahl der
Aufrufe und die Rückmeldungen auf die einzelnen Ausgaben zeigen, dass Interesse
geweckt wird und andere durch die Themen auch zu eigener kreativen Recherche,
Denk- und Schreibarbeit geführt werden.
www.lerncafe.de
Dietrich Bösenberg: Spurensuche - Jüdische Friedhöfe in Deutschland
Projektbeschreibung
Aufgabe ist es, die jüdischen Friedhöfe zu erkunden, die Anlagen sowie Grabsteine zu fotografieren und zu beschreiben. Im Mittelpunkt steht das Sichtbarmachen der vorhandenen Zeugnisse und die Förderung des Verständnisses dafür. Nicht beabsichtigt ist eine lückenlose Aufnahme aller Grabsteine, da dies die gegebenen Möglichkeiten übersteigen würde. Auch ist es nicht das Ziel, eine umfassende Beschreibung und Typisierung aller jüdischen Friedhöfe zu erarbeiten.
Zur Bearbeitung gehören allgemeine Informationen zum Judentum und seiner Geschichte in Deutschland - von frühesten Erwähnungen jüdischen Lebens in Deutschland in historischen Urkunden, dem wechselvollen Schicksal der jüdischen Bevölkerung zwischen Blüte und Verfolgung, bis hin zu den Hintergründen der Entstehung und Vernichtung von jüdischen Gemeinden, teilweise mit ihren regionalen Differenzierungen.
Der Zustand der Friedhöfe und Grabstätten spiegelt auch das Schicksal der jüdischen Gemeinden und Menschen wieder, das durch Aufzeigen historischer Zusammenhänge, Entstehung der Friedhöfe, Aufstieg, Verfolgung, Ende und teilweise Vernichtung der jüdischen Gemeinden in der NS-Zeit bei den Projektarbeiten verdeutlicht werden kann.
Die Gräber bieten häufig Bezüge zu jüdischen Persönlichkeiten, sei es, dass sie dort begraben sind, sei es, dass sie aus diesen Orten stammen oder dort gewirkt haben. So kann lokale und auch überregionale Bedeutung deutlich werden.
Recherchiert wird in Bibliotheken von Universitäten, Städten und Gemeinden, in Ortsarchiven, Online-Veröffentlichungen und ggf. privaten Sammlungen. Wo immer möglich, wird mit den örtlichen Behörden, Landesämtern und sonstigen Institutionen (Vereinen) sowie mit Privatpersonen zusammengearbeitet. Gerade die Beiträge von Zeitzeugen oder zumindest Personen, die Kontakt mit Angehörigen der früheren jüdischen Bevölkerung hatten, sind wichtige Informationen.
Entstehung des Projektes und gesellschaftlicher Kontext
Im Rahmen eines Seniorenstudiums bei ZAWiW, Zentrum für Allgemeine Wissen-schaftliche Weiterbildung an der Universität Ulm, beteiligte ich mich seit 2002 an einem Arbeitskreis, der sich unter wissenschaftlicher Betreuung mit der Erforschung einer Landschaft – dem Nördlinger Ries – befasste. Angeregt durch die Entdeckung einer größeren Anzahl von jüdischen Friedhöfen in meiner weiteren Umgebung und anschließendem Literaturstudium beschloss ich eine weitergehende Erkundung und Beschreibung dieser Friedhöfe, und diese in das Projekt einzubringen.
Arbeitsmittel waren von Anbeginn Computer und Internet, sowohl für Recherchen, als auch für die Publikation.Die Ergebnisse liegen in Printform sowie als Internetseiten vor.
Das Echo auf Buch und Internetpräsenz war recht positiv. Hinzu kam die Tatsache, dass in ganz Deutschland über 2000 jüdische Friedhöfe erhalten sind. Diese Gesichtspunkte und die Erkenntnis, dass diese sichtbaren Zeugnisse der früheren jüdischen Bewohner im öffentlichen Bewusstsein wenig präsent waren, führten dazu, mein abgeschlossenes Projekt über das Nördlinger Ries auf ganz Deutschland zu erweitern. Dazu sollten möglichst viele Personen, insbesondere Senioren, gewonnen werden, die jüdischen Friedhöfe in ihrer eigenen Lebensumgebung zu suchen und zu beschreiben. Ziel war die persönliche Beschäftigung mit der Materie um, unterstützt durch die Publikation im Internet, so einen Beitrag zur Pflege des jüdischen Erbes zu leisten.
Weitere wesentliche Zielsetzung war, das Projekt überwiegend virtuell, mit Hilfe des Internet bundesweit zu betreiben. Dies umfasste sowohl die Kommunikation untereinander als auch die Realisierung in Form von Websites. Somit waren entsprechende Vorkenntnisse oder ihr Erwerb Voraussetzung für die Beteiligung.
Für die Durchführung stand glücklicherweise die Homepage der bundesweiten Community ViLE – Virtuelles und reales Lernnetzwerk älterer Erwachsener e. V., Ulm, zur Verfügung, eine vom ZAWiW gegründete und betreute Organisation. Auch der zugehörige Webserver kommt zum Einsatz.
Inzwischen sind deutschlandweit über 20 Objekte erarbeitet worden und auf speziellen, vom Einreicher mit einer einheitlichen Grundkonzeption erstellten Websites veröffentlicht. Weitere Orte in verschiedenen Bundesländern sind im Entstehen.
Hildegard Neufeld: Mein Weg zur Senioren-Online-Redakteurin
Mein Weg zur Senior-Online-Redakteurin
Mein ganzes Berufsleben lang habe ich mich als Redakteurin
einer Wirtschaftsfachzeitschrift mit Medien beschäftigt, und als ich in den
Ruhestand wechselte, veränderte sich dies kaum. Allerdings bestimmten fortan PC
und Internet die Erstellung und Veröffentlichung meiner Manuskripte, und ich
beschloss, Online-Redakteurin zu werden.
Wegbeschreibung
Mein Weg von den Printmedien zu den Online-Medien vollzog sich nicht von „heute
auf morgen“. Am Anfang stand meine Begegnung mit dem „Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche
Weiterbildung (ZAWiW)“ der Universität Ulm. Hier wurde ich motiviert, mich mit
den neuen Medien gezielt zu befassen, mit PC und Internet professionell umzugehen.
Die Medienwelt hatte sich verändert, erforderte neue Kenntnisse und
Fertigkeiten. Den Umgang mit PC und Internet hatte ich bis dahin als fast
unüberwindbare Hürde angesehen, aber meine Verweigerung hätte Einschränkung,
vielleicht sogar Stillstand bedeutet. Wissenserwerb und Wissensvermittlung sind
inzwischen eng an die Nutzung der neuen Technologien gebunden. Lebenslang
lernen, die neue Herausforderung für Menschen jeden Lebensalters, bedeutet
heute auch lernen mit PC und Internet.
Die
neuen Technologien
An der Universität Ulm – im Zentrum für Allgemeine
Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) – begann ich mit etwas zaghaften
Schritten in die Welt der neuen Technologien einzudringen. Bald entdeckte ich,
welche Hilfe sie in vielen Bereichen des täglichen Lebens leisten und bei
entsprechender Nutzung bringen können. Die Informationsvermittlung,
beispielsweise durch Presse und Rundfunk, ist ohne Einbeziehung und Nutzung der
neuen Techniken nicht mehr vorstellbar.
ViLE
Im Dezember 2002 gründeten wir – eine Gruppe
Gleichgesinnter, die sich an der Universität Ulm zusammengefunden hatte – ViLE,
das „Virtuelle und reale Lern- und Kompetenz-Netzwerk für ältere Erwachsene
e.V.“ mit dem Ziel, älteren Menschen
eine Plattform zu bieten, um das Internet zur Weiterbildung, beispielsweise für
ein nachberufliches Engagement, und zum Erfahrungsaustausch nutzen zu können.
In schneller Folge wurden Kurse zur Einführung in die Techniken der
interaktiven Nutzung des Internets
angeboten und von uns mit großem Interesse und intensiv genutzt.
Projekte wurden initiiert, die auf
unterschiedliche Interessen der TeilnehmerInnen
ausgerichtet waren. Bald war ich mittendrin im „Lebenslangen
Lernprozess“.
Die
Projektidee
Im Juli 2003 startete das ZAWiW der Universität Ulm das Modellprojekt „Senior-Online-Redaktion“.
Die Idee des Projekts war, durch fachbezogene Schulung und Qualifizierung
interessierten und engagierten älteren Menschen ein neues nachberufliches Lern-
und Tätigkeitsfeld zu eröffnen. Das Modell der „ehrenamtlichen
Online-Redaktion“ sollte in beispielhafter Weise aufzeigen, wie ältere Menschen
einen kreativ-gestaltenden Umgang mit den neuen Kommunikationstechniken
erlernen und zur aktiven Partizipation an gesellschaftlichen Dialogen nutzen
können.
Das ZAWiW gab zu diesem Zeitpunkt bereits das LernCafe, ein
Online-Journal zur Weiterbildung für ältere Menschen heraus und verfügte daher
bereits über entsprechende praktische Erfahrungen. Mit dem Modellprojekt zur
Qualifikation älterer Menschen zu
Senior-Online-RedakteurInnen wurde das Prinzip „von Senioren für Senioren“ aufgegriffen.
Die
Qualifizierung
In speziellen Ausbildungsrunden wurde uns das notwendige Wissen für die
Online-Redaktionsarbeit – ausschliesslich auf virtuellem Wege – vermittelt. Auf
diese Weise konnten die künftigen Senior-Online-RedakteurInnen, die in
verschiedenen Teilen Deutschlands zu
Hause waren, an den Ausbildungsseminaren teilnehmen. Sie alle hatten das Ziel,
einst als qualifizierte Senior-Online-RedakteurInnen an der Gestaltung des
LernCafes - und zwar von der Konzeption bis zur Herausgabe - mitzuarbeiten.
Der
Start
Die Halbzeit der Ausbildung war noch nicht verstrichen, als die künftigen
Senior-Online- RedakteurInnen an den Start gingen. Im Juni 2004 sollte unser
erstes Online-Journal erscheinen. Themenfindung und -bearbeitung lagen
verantwortlich in den Händen der sechs neuen Online-Redakteure. Da wir an
unterschiedlichen Orten wohnten, erfolgten alle notwendigen Schritte, wie
Aufgabenverteilung, Absprachen, Rückfragen und auch die Redaktionskonferenzen
über das Netz. Mit Hilfe von Mailinglisten, Forum und Chat wurden
Recherche-Ergebnisse, Anregungen und Beurteilungen ausgetauscht, aber auch
gegenseitige Hilfe und Unterstützung praktiziert.
Als das fertige Produkt rechtzeitig zum Erscheinungstag ins Netz gestellt
werden konnte, war dies nicht nur das Ergebnis einer gelungenen Teamarbeit
engagierter Senior-Online-RedakteurInnen, die
sich erst durch ihre gemeinsame
Aufgabe kennen gelernt hatten, sondern auch das einer kompetenten Leitung und
Unterstützung.
Das
LernCafe
„LernCafe“ ist der
Titel des ersten deutschen Online-Journals für weiterbildungsinteressierte
ältere Erwachsene. Es wurde vom ZAWiW der Universität Ulm entwickelt und erscheint
bereits seit mehr als acht Jahren. Seit Juli 2005 wird das LernCafe von ViLE herausgegeben.
Ein Redaktionsteam engagierter, ehrenamtlich tätiger
Senior-Online-RedakteurInnen ist für Konzeption, Inhalt und Gestaltung der
Ausgaben verantwortlich.
Jede Ausgabe hat einen Themenschwerpunkt, zu dem in der Regel eine Reihe
aktueller Lernprojekte sowie Materialien und Hintergrundtexte vorgestellt
werden. Anliegen des Online-Journals ist es, über Projekte, Gruppen und
Möglichkeiten der allgemeinen Weiterbildung für ältere Menschen zu berichten.
Dabei sollen insbesondere Formen selbstorganisierten Lernens sowie
Produktivität und gesellschaftliche Teilhabe sowie aktive Mitwirkung im dritten
Lebensalter aufgezeigt und beleuchtet werden.
Alle bisher erschienenen Ausgaben des LernCafe sind als CD-ROM lieferbar.
Motive
Was motiviert ältere Menschen, sich noch einmal „auf die Schulbank zu setzen“,
um sich die erforderlichen Kenntnisse und Praktiken für einen beruflichen
Neubeginn zu erarbeiten? Ist es die Lust auf Neues, auf etwas Anderes,
vielleicht auf interessantere oder auch anspruchsvollere Aufgaben?
Senior-Online-RedakteurInnen, die nach erfolgreicher Qualifizierung nun –
freiwillig und ehrenamtlich engagiert – das Online-Journal LernCafe
mitgestalten, nennen unterschiedliche Motive, zum Beispiel:
Einen Jugendtraum erfüllen: Schriftsteller oder Journalist werden,
Freude am Lernen: „Ich lerne ständig hinzu“,
Lust zu schreiben,
Freude: Wissen und Erfahrung weitergeben,
Freizeit sinnvoll gestalten,
Für neue Aufgaben qualifizieren, eigene Kompetenzen nutzen.
Perspektiven
Meine eigenen Motive knüpfen an meine frühere berufliche Tätigkeit als
Fachzeitschriften-Redakteurin an. Mehr als drei Jahrzehnte lang hatte ich mich
der Informations- und Wissensvermittlung gewidmet. Das wollte ich im Ruhestand
fortsetzen, wenn auch, bedingt durch die technische und gesellschaftliche
Entwicklung, unter anderen Voraussetzungen und neuen Aspekten.
Als Senior-Online-Redakteurin kann ich Wissen und Erfahrung weitergeben. Vor
allem aber kann ich informieren, anregen und, wenn möglich, auch motivieren.
Hängt doch die Position der älteren und
alten Menschen in der Gesellschaft auch von ihrer Informations- und
Weiterbildungsbereitschaft ab. Wer gesellschaftlich integriert und handlungsfähig
bleiben will, muss „am Ball bleiben“, muss informiert sein.
Zukunftsbetrachtungen
Meine Zukunft, das
ist weiterhin mein Leben im Alter, das ich so fortsetzen möchte, wie ich es
begonnen und bisher gestaltet habe: aktiv, selbstbestimmt und kreativ. Ich möchte
nicht nur mitleben, sondern auch weiterhin mitgestalten können, beispielsweise
mitwirken, dass Vorurteile, wie sie im längst überholten Altersbild immer noch
zum Ausdruck kommen, ausgeräumt werden. Falsche Vorstellungen vom Älterwerden
und Alter schaden nicht nur dem Einzelnen – ob jung oder alt – sondern hemmen
auch das eigene Tätigwerden sowie gesellschaftliche Initiativen und
Entwicklungen.
Als Senior-Online-Redakteurin kann ich daran mitwirken, dass auch die nachfolgenden Generationen erkennen und wissen, dass das Alter aktiv erlebt und auch kreativ gestaltet werden kann. Die neuen Medien werden mich auf dem Weg zu meinem Ziel, das ich mir erst im Seniorenalter gestellt habe, weiter begleiten.
Brigitte Nguyen-Duong: Onlineprojekt "Frauengeschichte"