Eindrücke von Trakai am 26.06.2011 und Kaunas am 27.06.2011
Trakai, die Hauptstadt des einstigen Großfürstentums Litauen, nicht weit von Vilnius, überrascht uns durch außerordentliche, ganz verschiedenartige Eindrücke.
Der Weg zu der gut erhaltenen Wasserburg, einem großartigen Bauwerk in Backsteingotik aus dem Mittelalter, mit Wassergräben, Brücken und vielen musealen Sehenswürdigkeiten in etlichen Stockwerken der gewaltigen Anlage, führt uns entlang des Seeufers, abseits von der Stadt zum Ziel.
Wir gehen, links mit herrlichen Ausblicken aufs Wasser, das belebt von malerischen Booten ist, rechts am Rand eines lichten Waldes, auf die Burg zu.
Zahlreich sitzen oder stehen junge und alte Menschen am Rand des Weges; sie haben kleine Schalen mit Walderdbeeren vor sich, aber auch köstliche Teigtaschen, Kibinai genannt, in ihren zugedeckten Körben, die sie verkaufen wollen: ein sonntägliches friedliches Bild. Es bleibt mir in besonderer Erinnerung, trotz allem Großartigen, was es sonst zu bestaunen gab.
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Und da ist noch eine weitere Besonderheit: In der Hauptstraße des Ortes
stehen kleine bunte Holzhäuser inmitten ihrer schmalen Gärten. Sie haben
alle eine ähnliche Bauweise: |
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Hier im Ort lebt nämlich noch eine kleine Volksgruppe der Karäer, auch Karaimen genannt. Ihre Vorfahren wurden einst als Soldaten vom Großfürsten von Litauen 1397/98 aus dem Schwarzmeergebiet angeworben und als Burgwächter in der Nähe der alten litauischen Hauptstadt angesiedelt. Sie nennen sich Karäer, sind turkstämmig und sprechen einen tatarischen Dialekt. Ihren Glauben betrachten sie als eine gegenüber dem Judentum eigenständige biblische Religion, benutzen die hebräische Schrift und sind auch thoragläubig.
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Am Ende der Straße steht eine Kenasse, ein Gebetshaus, worin Priester ihre kleine Gemeinde (in Litauen lebten noch 257 Karäer) betreuen. |
Lassen Sie uns das Bild der Menschengruppe mit ihren köstlichen, selbst gepflückten Beeren, ein friedlicher sommerlicher Anblick an einem geschichtsträchtigen Ort, festhalten.
Wir wissen es und erfahren es wieder an vielen Orten dieser Reise, wie zerbrechlich unsere friedliche Welt ist.
Am nächsten Tag sind wir in Kaunas und hören von Fruma ihre bewegende Geschichte. Sie wurde als kleines jüdisches Mädchen aus dem Ghetto gerettet, und in der Stadt zeigt sie uns, wo sich das zugetragen hat. In dem Buch „Dies Kind soll leben“ von H. Holzmann ist das Erlittene festgehalten.
Zufällig erschien in unserem Evangelischen Gemeindeblatt wenige Wochen vorher ein Bericht über die sogenannten „Wolfskinder“. Aus dem zerstörten Königsberg sind diese Kinder geflohen und haben in den litauischen Wäldern zu überleben versucht.
Fast spiegelgleich muten diese Ereignisse an, unmenschlich, erschütternd, entsetzlich. Was der Krieg über den Menschen bringt!
H.P.